In letzter Zeit lese ich immer häufiger irgendwelche negativen Texte über das Leben von Bloggern und Influencern. Also besser gesagt, Texte über verwöhnte Luxuskiddies und Mittzwanziger mit Starallüren, die alles geschenkt bekommen und sowieso das ganze Jahr nur im Urlaub sind. Ganz davon abgesehen, dass natürlich alles „ach so perfekt“ ist. Täglich gibt es gesundes Essen aka Hälsy Fuud, was natürlich absolut „instagrammable“ ist und die schwarze Kreditkarte glüht stündlich, weil die neuesten Trendteile geshoppt werden müssen. Aber ist das wirklich so? Ich habe mir fünf typische Blogger Klischees notiert und mal ein bisschen genauer geschaut, ob diese wirklich zutreffen.
#1 Blogger fotografieren den ganzen Tag ihr Essen
Die Vorstellung: Bevor ein Blogger sein Essen zubereitet, wird erstmal ein komplettes Fotosetting hergerichtet. Gerichte werden nicht nach „Darauf habe ich Hunger!“, sondern nach „Was ist ein besonders fotogenes Essen?“ ausgewählt. Außerdem sollte es möglichst healthy sein. Ach ja, und eine Avocado muss auch mit auf’s Foto. Oder eine Açai Bowl.
Die Realität: Ich esse liebend gerne total unfotogenes Essen. Körniger Frischkäse mit Marmelade und Zimt ist ein Beispiel dafür. Sieht aus wie sonstwas, schmeckt aber super lecker. Oder Porridge mit zerdrückter Banane und Nüssen. Oder eine Scheibe Brot mit Honig. Oder ganz uncool: Kartoffeln mit Spinat oder Kohlrabi. Ich finde es unglaublich befreiend, dass ich euch auch solche Bilder bei Instagram Stories oder Snapchat zeigen darf, ohne, dass ihr direkt schreiend davonrennt. Das ist doch irgendwie alles so herrlich normal oder? Ich habe noch nie Quinoa gegessen, mein letztes Couscous Experiment ist „verkocht“ und Soja und ich werden sowieso keine Freunde. Ach ja und Burger, Pommes und Pasta sind übrigens verdammt lecker. #carbsforpresident
#2 Blogger bekommen doch eh alles geschenkt!
Die Vorstellung: Blogger sitzen den lieben langen Tag daheim (oder noch besser in irgendwelchen teuren Hotels oder an atemberaubenden Stränden) und die tonnenschweren Pakete mit luxuriösen Geschenken trudeln im Sekundentakt zu Hause ein. Kosmetik, Kleidung, Taschen, Schmuck und und und – ist ja alles gratis und man muss nichts dafür tun.
Die Realität: Klar, ab und an bekomme ich auch mal Überraschungspakete, bei welchen dann keine Gegenleistung gefordert wird. Im Grunde genommen hängt mit den meisten Paketen aber eine Verpflichtung zusammen. Entweder ein bezahltes Product-Placement oder zum Beispiel ein Sample-Sponsoring. Heißt: Im Vorfeld gab es Mail-Kontakt mit den Firmen oder Agenturen und man vereinbart, dass nach Zusendung u.a. eine Review auf dem Blog verfasst oder ein Bild bei Instagram bzw. eine Story mit Verlinkung hochgeladen wird. „Geschenkt“ werden einem die Sachen nur in den seltensten Fällen.
#3 Blogger gehen jede Woche mehrmals shoppen
Die Vorstellung: Blogger werfen ihr spielend leicht verdientes Geld mit offenen Händen für Kleidung und Designer-Handtaschen zum Fenster raus. Jede Woche. Jeden Tag. Oh, eine neue Tasche von Gucci? Na dann mal los in die Stadt und shoppeeeen! Was?! Du hast noch nicht die neueste Kollektion von ZARA gesehen? Du bist ja sooo vorgestern!
Die Realität: Ich überlege mir lieber dreimal, ob ich dieses oder jenes Teil wirklich brauche und letztendlich auch kaufe. Meistens ist es sogar Herr F., der mich dazu überredet, mir mal etwas zu gönnen. Ich gehe keinesfalls jede Woche shoppen und schon gar nicht nur teure Designer Klamotten bzw. Accessoires. Der Kauf der Karl Lagerfeld Tasche, von dem ich euch bei Instagram Stories berichtet habe, hat mich ziemlich viel Überwindung gekostet, weil ich ganz genau weiß, wie lange man für so viel Geld arbeiten muss! 😉 Außeredem checke ich auch nicht jeden Tag die gängigen Online Shops ab, ob es neue Teile zu kaufen gibt. Dafür habe ich gar keine Zeit und auch keine Lust. Hallo Realität, hallo normales Leben.
#4 Blogger sind ständig auf Reisen und zwar gratis!
Die Vorstellung: Blogger reisen mehrmals im Jahr in die entferntesten Länder, chillen am weißen Sandstrand, relaxen am Infinity Pool, lassen sich in der Presidential Suite den teuersten Champagner schmecken. Natürlich ist das alles kostenlos, denn man ist ja ein Influencer. Das reicht dann schon irgendwie als Bezahlung. Außerdem ist es natürlich auch total realistisch, dass sich meine Zielgruppe all diese Urlaube mal eben so leisten kann. Na logo!
Die Realität: Ich reise verdammt gerne. Und ja, ich mache auch Hotelkooperationen. Aber weder bin ich das ganze Jahr in der großen weiten Welt unterwegs, noch habe ich tausende Euro übrig, mir all diese Reisen mal eben so zu finanzieren. Dass es Blogger gibt, die tatsächlich mehrmals im Jahr auf Reisen sind und die tollsten Orte besuchen, möchte ich nicht abstreiten. Aber der Großteil der Masse muss sich solche luxuriösen Trips immer noch selbst bezahlen bzw. muss innerhalb der Kooperation zum Beispiel einen Blogpost über das Hotel verfassen. „Gratis“ ist das Reisen also zu 99,9% nicht und ganz so glamourös, wie es manchmal rüberkommt, auch nicht.
#5 Blogger? Das ist doch kein echter Job!
Die Vorstellung: Blogger haben doch eh nur Luxusprobleme… Die Powerbank ist leer. Das E-Mail Postfach ist voll. Das Datenvolumen aufgebraucht. Der künstliche Fingernagel abgebrochen. Der Wimperntermin verschoben. Arbeiten? Pah, das kennt ein Blogger nicht. Das bisschen Texte schreiben und Bilder machen, erledigt sich doch nebenbei. Und dafür kassiert man dann noch schnell ein paar tausend Euro. Läuft!
Die Realität: 24/7. Kein Urlaub. Keine Freizeit. Kein Feierabend. Das trifft es momentan ziemlich gut. Ein einziger Blogpost kostet mich manchmal stundelange Recherche und Arbeit. Das Fotografieren von Outfits, Produkfotografie, Make-up bzw. Kosmetik Reviews, Eventberichte, und und und kommen natürlich noch hinzu. Dann gibt es noch die Präsenz bei Instagram Stories und/oder Snapchat sowie Facebook, die einfach da sein MUSS. Denn wer nicht postet, ist raus. Ich versuche genau wie am Anfang alle Kommentare zu beantworten, alle privaten Nachrichten zu lesen, euch jeden Tag mit durch meinen Alltag zu nehmen, aber immer schaffe ich das auch nicht. Ab und an brauche ich mal ein Social Media Detox – ein oder zwei Tage nur für mich, kein Smartphone, pure Entspannung. Dann warten zwar schon wieder zig Mails und ein Haufen an Arbeit auf mich, aber das ist es mir wert.